Kurt Bodewig Bundesminister a.D.

Die Ostsee - dynamischste Region Europas

24.03.2006

Sehr verehrte Damen und Herren, es ist mir eine Ehre heute an diesem großen Tag für die Fachhochschule Stralsund als Festredner dabei sein zu dürfen. Dies freut mich umso mehr, als ich erst kürzlich gelesen habe, dass diese Hochschule im Ranking für 2005 in einem der überprüften Studiengängen auf Platz 1 gelandet ist und in weiteren Studiengängen mit den zweiten Plätzen ebenfalls ganz vorne mit dabei ist!

Dass diese Hochschule auch sonst Einiges zu bieten hat, zeigt sich aber auch an dem Studiengang, zu dessen Jubiläum ich heute gerne angereist bin. Das Angebot der "Baltic Management Studies" erfreut mich deshalb ganz besonders, da mir die Ostseeregion als Vorsitzender des Baltic Sea Forums e.V. außerordentlich am Herzen liegt.

Und lassen Sie mich das vorweg gleich an die Studenten dieses Studienganges gesagt haben: Sie haben auf das richtige Pferd gesetzt! Denn die Ostseeregion zählt zu den dynamischsten Regionen, die wir derzeit in Europa finden können. Über diese Dynamik und das Wachstum, das hier zu finden ist, möchte ich Ihnen gerne berichten.

Dabei soll es einerseits um das wirtschaftliche Entwicklungs- und Wachstumspotenzial gehen und andererseits um die Strukturen einer europäischen Modellregion für internationale Kooperation und Koordination. Gleich zu Beginn möchte ich Ihnen meine grundlegende Auffassung zu den Wachstumschancen dieser Region mitteilen, die sich in dem Zitat eines ehem. deutschen Topmanagers wieder findet: "Die Grenzen des Wachstums werden allein durch die Phantasie gesteckt."

Nun aber zu den vielefältigen Kooperationen in der Region. Diese finden Sie beispielhaft und wie ich finde, vorbildlich, im BALTIC SEA FORUM. Als gemeinnützige Nicht-Regierungsorganisation trägt das BALTIC SEA FORUM bereits seit 1992 dazu bei, dass die Themen Zusammenarbeit und Integration in Wirtschaft, Politik und Kultur nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, sondern eine aktive Kontakt-, Kommunikations- und Projektplattform bekommen. Unter den zahlreichen Kooperationsgremien und Organisationen der Ostseeregion versteht sich das BALTIC SEA FORUM als ein Netzwerk der Netzwerke. Insbesondere mit dem Blick für deutsche und norddeutsche Perspektiven, wollen wir den Überblick über regionale Themen, Strategien und Institutionen gewährleisten. Unser Ziel ist es, Projekte und Partner in gemeinsamen Aktivitäten zu konzentrieren um das Tempo von Wachstum und Entwicklung in der Region mitzugehen und vorzugeben.

Historisch

Innerhalb Europas ist die Ostsee in ihrer Dynamik und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einzigartig. Hier leben circa 90 Millionen Menschen, die auf unterschiedlichen Märkten rund um das Europäische Binnenmeer agieren und etwa 9% des Weltbruttosozialprodukts erwirtschaften.

Schon zur Blütezeit der Hanse im 12. Jahrhundert diente die Region als wichtiger Transportweg für die Kaufleute. Es wurden wichtige Handelsstädte des Ostseeraums untereinander verknüpft. Gleichzeitig erfolgte aber auch die Anbindung an westeuropäische Wirtschaftszentren. Anknüpfend an diese Tradition haben Unternehmen in der gesamten Ostseeregion in den 90er Jahren wieder damit begonnen, alte Handelsbeziehungen neu aufleben zu lassen. Der Handel auf der Ostsee stellt heute die integrierende Kraft für das Zusammenwachsen der Anrainerstaaten dar und ist der Motor für das wirtschaftliche Wachstum der gesamten Region. Zu dieser dynamischen Region darf sich auch Stralsund zählen.

Die Dynamik

Handel, Wachstum und gelebte Integration, das sind die Merkmale, welche den Motor am Laufen halten. Wichtig ist dabei das Zusammenwirken der etablierten Volkswirtschaften Skandinaviens und Deutschlands mit den Polen und den "baltischen Tigern" Estland, Lettland und Litauen. Hier entsteht eine Konstellation, welche diese Staaten im Hinblick auf Innovation von Produkten und Dienstleistungen immer wieder gegenseitig befruchtet. Besondere Impulse gehen nicht nur durch die aktive Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union aus, sondern auch wirtschaftlich von den Kontakten und der Kooperation mit der Russischen Föderation. Als stellvertretender Vorsitzender des Europaausschusses liegt mir dies besonders am Herzen. Manche sprechen bei dieser rasanten und dynamischen Entwicklung sogar von einer Wachstumsrallye.

Die Dynamik ergibt sich außerdem aus den Beziehungen zu anderen Regionen wie Südeuropa, bis hin zu den Märkten Asiens. Mit Hochdruck wird zudem am Ausbau der Nord-Süd-Achse zwischen Ostsee und Mittelmeer auf allen Ebenen gearbeitet. Führende Wirtschaftsinstitutionen prognostizieren in den nächsten Jahren einen stark zunehmenden internationalen Handel mit den Ostseeanrainerstaaten. Die Basis des wirtschaftlichen Erfolgs ist eine besondere Kombination aus Zusammenarbeit und Wettbewerb, die auf Austausch, Transfer und das Denken und Handeln in Netzwerken setzt. Wundert es da einen, dass der weltweit führende Anbieter für Mobiltelefone aus Finnland kommt und das auf Transparenz und Integration basierende Betriebssystem Linux ebenfalls in der Region entwickelt wurden?

Diese Beispiele zeigen, dass die weltweit einmalige Wettbewerbssituation hilft, Produkten und Dienstleistungen der Ostseeregion führende Positionen auf dem Weltmarkt zu verschaffen.

Wettbewerb

Kennzeichnend für die Ostseeregion ist die große wirtschaftliche Heterogenität. Norwegen beispielsweise hat besonders große Produktivität. Schweden hat mittlerweile eine etwas schlechtere Beschäftigungsquote, dafür aber ebenfalls hohe Produktivität. Die drei baltischen Staaten zeichnen sich durch niedrige Preise, hohe Beschäftigung und niedrige Produktivität aus. Wohingegen Polen wiederum etwas höhere Produktivität, dafür aber niedrigere Beschäftigung und höhere Preise hat.

Auch im Bereich des Exports hat die baltische Region sehr heterogene Positionen. Aber: insgesamt lässt sich ein starkes und wohlhabendes Bild von der Ostseeregion zeichnen.

Dies zeigt sich beispielsweise auch in der engen Zusammenarbeit und den vernetzten Wirtschaftsaktivitäten in der Ostseeregion besonders in Handel und Transport, in Verkehr und Infrastruktur. Führende Wirtschaftsinstitute prognostizieren beispielsweise, bis 2010 eine EU-weite Zunahme des Frachtaufkommens um 38 Prozent und des Passagieraufkommens um 24 Prozent.

Die Ostsee entwickelt sich in diesem Zusammenhang noch dynamischer, denn hier wird sogar mit einer Verdoppelung des Güterverkehrs bis 2015 gerechnet.

Ein ebenfalls stark mit dem Begriff "Netzwerk" verbundener Bereich ist das gerade aktuelle Thema der Energiesicherheit. Dass Deutschland auch in der Ostseeregion nach bilateralen Lösungen sucht, um eine kontinuierliche Energieversorgung zu gewährleisten, ist ein gleichzeitig nachvollziehbares nationales wie nachhaltiges Interesse. Der Technik sind bei solchen neuen Lösungen fast keine Grenzen mehr gesetzt. Das heißt, dass solche Projekte mittelfristig die Möglichkeit haben, weitere regionale Partner politisch, wirtschaftlich und technisch anzubinden.

Ostseepipeline

Dass es hierbei allerdings durchaus zu Konflikten kommen kann, zeigt die jüngste Diskussion um die Ostseepipeline. Hintergrund des Baus der Pipeline ist die überwiegend nationale Überlegung, langfristig die Energieversorgung Westeuropas zu sichern. Die Gaspipeline wird Europa unabhängiger machen vom knapper werdenden Rohstoff Öl. Die Teilhabe an den riesigen russischen Gasvorkommen sichert so die europäische Gasversorgung.

Ein Projekt von dieser Dimension bleibt natürlich nicht frei von Kritik. In diesem Falle gibt es Unstimmigkeiten bei mehreren Ostseeanrainerstaaten, die sich bei dem Großprojekt benachteiligt fühlen. Vor allem Polen sieht darin eine größere eigene Abhängigkeit von russischem Gas.

Befürchtet wird unter anderem, dass bei bilateralen Streitigkeiten zwischen Polen und Russland der Gashahn zugedreht wird. Dass dies durchaus im realistischen Bereich liegt, haben wir im Fall der Ukraine gesehen (auch wenn diese nicht in erster Linie politisch begründet war). Spätestens durch die Kritik seitens der baltischen Staaten und Polen ist die Pipeline auch eine Ostsee-Angelegenheit geworden. Der Konflikt hat sich entwickelt, obwohl die Absicht des Bundeskanzlers Gerhard Schröder nicht darin lag, andere Staaten aus der Kooperation raus zu halten, sondern national begründet war.

Die jüngsten Bemühungen der Kanzlerin und die Zusagen Russlands, die Pipeline sei prinzipiell auch für Dritte offen, konnten den Streit beruhigen.

Das Beispiel Ostseepipeline zeigt in meinen Augen zwei Dinge: 1)Die internationale Bedeutung der Ostsee ist nicht zu verleugnen, wenn der Bau einer Pipeline solche Reaktionen hervorrufen kann.

2)Das Potenzial der Ostsee ist enorm. Das Investitionsvolumen der rund 1200 Kilometer langen Leitung soll bei rund 4 Milliarden Euro liegen.

Man sieht also, Konflikt und Chance liegen hier doch sehr nah beieinander. Auf eine auch in diesem Zusammenhang sinnvolle, engere Kooperation der Ostseeanrainer mit Russland möchte ich an dieser Stelle noch kurz eingehen.

Die Rolle Russlands

Schon der russische Zar Peter der Große hatte im 18. Jahrhundert erkannt, dass die Ostsee Russlands Tor zum Westen und damit optimaler Ausgangspunkt für den Handel ist. Auch aus diesem Grund verlagerte er die damalige russische Hauptstadt nach Sankt Petersburg. Dort ist noch heute der wichtigste russische Ostseehafen.

Und hier bin ich bei einer der zentralen Herausforderungen für die Ostseeregion. Die Einbindung Russlands - mit großem Potenzial für die weitere Entwicklung des "Mare Balticum". Dass dies vor allem für die drei Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen eine politische Herausforderung darstellt, dürfte allen klar sein.

Wichtig ist aber, so auch das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, dass die wirtschaftliche Integration vor allem des Nordwestens Russlands dazu führen sollte, diesen Teil nicht mehr als Partner sondern als Teil der Region zu sehen. Daraus ergeben sich langfristige Vorteile für beide Seiten. Nordwestrussland ist seit 1998 wirtschaftlich sehr stark gewachsen, hat aber auch Schwächen in den Geschäftsbeziehungen und bei Handels- in Investitionsbarrieren. Dies führt dazu, dass eine Integration mit anderen Ostseestaaten noch verhindert wird.

Das Potenzial für die relativ periphere Region "Ostsee" liegt nicht zuletzt in der Größe von Sankt Petersburg mit seinen 4,6 Millionen Einwohnern. Gelingt eine Einbindung dieser noch schwachen Region mit seinem enormen Potenzial, so kann nicht nur Russland selber, sondern die ganze Region davon profitieren.

Dass hierzu einige Anstrengungen auf russischer Seite notwendig sind, darf man dabei aber nicht vergessen. Dennoch: hier liegt eine mögliche Quelle zukünftiger Prosperität in der Region.

TEN

Als Europapolitiker mit Leib und Seele ist es mir natürlich auch wichtig, die EU-Komponente der Ostseeentwicklung herauszustreichen. Allen voran sei hier die Bedeutung der so genannten Transeuropäischen Netze erläutert. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, maritime Verkehrswege zu einer tatsächlichen Alternative gegenüber dem Landweg zu machen. Als Instrument wurden die so genannten "Motorways of the Sea" entwickelt. Eine dieser Meeresautobahnen ist die Ostseeautobahn. Diese Meeresautobahn verknüpft die Ostseeanrainerstaaten mit den Staaten in Zentral- und Westeuropa einschließlich der Route durch den Nord-Ostsee-Kanal.

Die Motorways of the Sea verfolgen drei Ziele: eine Frachtkonzentration auf meeresbasierten logistischen Routen eine verbesserte Kohäsion eine Reduktion der Straßenverstopfung durch einen "Modal shift"

Obwohl die Ostseeregion aus Sicht der EU eher eine periphere Region ist, hat sich die Tradition von dynamischem Handel und Transport aus wirtschaftlichen und geographischen Aspekten behauptet. Sie sichert eine weitgehende und umfassende Relevanz dieses Konzepts für die ganze Region. Und der Vergleich mit den anderen Region, in denen Meeresautobahnen eingerichtet wurden zeigt deutlich: Die Ostseeautobahn ist einer der aktivsten und am weitesten entwickelten Korridore unter den "Motorways of the Sea".

Lage der Region

Und nicht nur die erfolgreichen "Motorways of the Sea" zeigen das hiesige Potenzial. Ein "Bericht zur Lage der Region 2005" wurde im letzten Jahr vorgestellt. Dieser Bericht macht deutlich: die Ostseeregion entwickelt sich im Hinblick auf die Kriterien der Lissabon-Agenda überdurchschnittlich. Die Region befindet sich unter den führenden Regionen im Bereich der Beschäftigung, der Umweltstandards und – der Innovation.

Allerdings: der Bericht macht auch deutlich, dass die Region ihr Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft hat. Das ist einerseits natürlich zu bedauern, andererseits lohnt es sich umso mehr, sich aktiv mit der Region zu befassen und das Potenzial weiter auszuschöpfen.

Weiterhin wird in dem Bericht angeregt, dass, und hier kommen wieder Sie ins Spiel, meine verehrten Studentinnen und Studenten, dass einer der Schlüsselvorteile der Ostseeregion seine gut ausgebildete Bevölkerung ist. Dazu gehören auch eine vergleichsweise hohe Anzahl an Forschern, wissenschaftlichen und technischen Arbeitern.

Der Bericht schlägt aber gleichzeitig vor, eine verstärkte Analyse über Wissenstransfers und regionale Integrationsbarrieren vorzunehmen. Darüber hinaus sollte ein System von Leistungsanreizen (incentive schemes) für studentischen Austausch und Forschungszusammenarbeit erstellt werden.

Lissabon-Strategie und Ostsee

Ich möchte aber noch einige Momente bei der Lissabon-Agenda bleiben. Die Lissabonstrategie der Europäischen Union hat, wie Sie vielleicht wissen, zum Ziel, Europa bis im Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. In meiner parlamentarischen Arbeit bin ich sehr eng mit diesem Thema befasst. Hierbei hat sich gezeigt, dass wir noch eine ganze Menge tun müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Vor allem nationale Anstrengungen sind nötig, damit Europa insgesamt seine Wettbewerbsfähigkeit steigern kann. Mich freut es aber ganz besonders, dass sich diese, Ihre Region so hervorragend entwickelt. Die Ostseeanrainerstaaten sind auch beim Ranking der nationalen Umsetzung der Lissabonstrategie ganz oben mit dabei.

Bei 6 Indikatoren zur Bewertung der Umsetzung der Strategie (Beschäftigung, Soziale Kohäsion, Innovation und Forschung, Wirtschaftlicher Hintergrund, Ökonomische Reform, Umwelt) schneidet die Ostseeregion bei 4 Indikatoren überdurchschnittlich gut ab, bei einem (Umwelt) liegt sie im Durchschnitt und bei einem (wirtschaftliche Reform) liegt sie weit unter dem Durchschnitt. Das ist zwar bedauerlich, doch liegt dort demnach auch das größte Potenzial.

Allerdings, und das sollte ich nicht verschweigen, ist der Erfolg dieser Region geprägt durch die Stärke der skandinavischen Länder und deren Wirtschafts- und Sozialmodelle. Wiederum bedeutet dies: bisher schwächere Staaten können und müssen Ihr Potenzial weiter ausbauen.

Innovation

Die bereits angesprochene Heterogenität existiert auch auf dem Feld der Innovationen. Während die nordischen Staaten und Deutschland hohe Investitionen in Forschung in Entwicklung bereitstellen und somit auch erfolgreiche Innovationen hervorbringen, sind die östlichen Ostseestaaten diesbezüglich schwächer aufgestellt.

Auch wenn es keine festen Methoden gibt, Innovationen eindeutig zu messen, lässt sich doch an Hand einiger Indikatoren der Output wissenschaftlicher Ergebnisse feststellen, so zum Beispiel an der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Texten, an der Anmeldung von Patenten oder am Export von Hoch Technologie.

An Hand dieser Kriterien lässt sich wie gesagt ein eindeutiger Vorsprung der Ostseestaaten gegenüber den Zentraleuropäischen Staaten ausmachen. Und, wenn ich das als kleine Randbemerkung einfügen darf: zu Zentraleuropa zählt diese Studie auch das schöne Bayern….

Internationale Zusammenarbeit

Ein weiterer positiver Aspekt, welcher der Ostseeregion seine unglaubliche Dynamik verleiht, liegt in der direkten internationalen Zusammenarbeit. Zahlreiche Organisationen, Vereine und Verbände haben sich gefunden, um jeweilige Einzelaspekte der Region zu fördern oder zu unterstützen.

Die "Union of the Baltic Cities" (UBC) beispielsweise hat sich auf die Fahnen geschrieben, eine demokratische, dynamische und stabile Ostseeregion zu fördern, die in einem erfolgreichen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und umweltgerechten Entwicklungsprozess eingebunden ist. Die Konzentration liegt hier selbstverständlich bei den Städten. Aber so wie diese Union gibt es weitere hervorragende Kooperationen auch für andere Einheiten: die Baltic Sea States Subregional Cooperation (BSSSC) beispielsweise, die sich wie der Name sagt, um die Zusammenarbeit und damit um die Stärkung der nationalen Untereinheiten kümmert, oder die Baltic Sea Parliamentary Conference (BSPC), deren Mitglied ich selber bin.

Einige dieser Zusammenschlüsse haben sich auf einer gemeinsamen Website zusammengefunden und versuchen so, die Einzelverbände zu vernetzen. (www.balticsea.net) Wer sich über die Ostsee und die auf sie einwirkenden Kräfte informieren möchte, der sollte sich diese Seite auf alle Fälle einmal ansehen.

Diese Vielzahl an Kooperationen und Projekten zeigt zum einen, wie wichtig die Region den Menschen ist, die in ihr leben, und zum anderen, wie viel Potenzial in der Zusammenarbeit steckt.

Wissenschaftskooperation

Diese Zusammenarbeit findet sich auch, und dies ist besonders hervorzuheben, in der Wissenschaft wieder. Die Europäische Kommission fördert beispielsweise die Ostseekooperation. Zusammen mit nationalen Mitteln der Ostseeanrainer werden hierfür weit über 200 Millionen Euro bereitgestellt. In den Baltischen Staaten sind etwa die verknüpften "EuroBaltic Centers of Excellence" zu finden, die gleichzeitig in Riga, Tartu und Vilnius eingerichtet sind. Selbst in Berlin ist die Ostsee schon angekommen. Dort gibt es an der Humboldt-Universität das Ostseekolleg (oder auch Baltic Sea School), das der wissenschaftlichen Aus- und Weiterbildung von Doktoranden und Studierenden sowie dem Austausch von Wissenschaftlern aus der Ostseeregion dient. Es bietet internationale Masterstudiengänge rund um die Ostsee in Estland, Lettland, Litauen und Finnland an.

An der Vielzahl von Feldern der Zusammenarbeit kann man sehr gut erkennen, dass die Region eine eigene Dynamik entwickelt hat. Die Menschen haben verstanden, dass sie gemeinsame Interessen verfolgen und diese am besten gemeinsam lösen können.

Ein besonders kreatives Beispiel für die dynamische und vernetzte Wirtschaft und Arbeit in der Ostseeregion, ist das BALTIC SEA FORUM Mitglied "BALTIC DESIGN TRANSFER". Das Netzwerk ist als Public Private Partnership (PPP) organisiert und vereint Designer, Studenten, Marketingprofis und Wirtschaftsvertreter aus allen Staaten rund um die Ostsee. Aus ihrer virtuellen Kommunikations- und Arbeitsplattform heraus entwickeln diese Kreativen neue Ideen und Designs für Produkte und Dienstleistungen. Der aktuelle Design-Zyklus unter dem Motto "Future Mobility" geht den Fragen nach, wie man sich im Jahr 2030 zwischen Ländern und Städten der Ostsee bewegt und wie wir unsere Arbeitsplätze erreichen werden. Ein sehr praxisnahes Beispiel ist die Idee, Autofahrern beim Überfahren einer Landesgrenze durch eine Infrarotschnittstelle Informationen zu Wirtschaft, Politik und Kultur des jeweiligen Landes zugänglich zu machen. Ein Bordcomputer im Fahrzeug empfängt Daten wie Währungs- und Steuersätze, Wirtschaftssektoren, Branchenschwerpunkte, Name des Staatsoberhauptes oder führender Politiker, Sprachhilfen, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder touristische oder administrative Anlaufstellen.

Umweltschutz

Zu der internationalen Zusammenarbeit gehört ein weiterer Bereich: der Umweltschutz. Da Gewässer nie eine rein nationale Angelegenheit sein können, bietet sich auch hier die internationale Kooperation an.

Das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde etwa dient der "Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre auf dem Gebiete der Meeresforschung". Im Rahmen des Umweltschutzes leistet dieses eine kontinuierliche Überwachung der Meeresumwelt und gibt 5 Mal im Jahr einen Zustandsbericht über die Ostsee heraus. Das Institut erledigt damit einen Teil der Aufgaben, welche in der Helsinki Konvention von 1974 festgeschrieben wurden.

Aus dieser Helsinki Konvention entstand HELCOM. Die Helsinki Commission, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Umwelt der Ostsee vor allen Quellen der Verschmutzung durch intergouvernementale Kooperation zwischen Dänemark, Estland, der EG, Finnland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen, Russland und Schweden zu beschützen. Die Kommission hat zu Beginn der 80er Jahre ihre Arbeit aufgenommen und konnte dabei einige Erfolge erzielen. Wie zum Beispiel eine dramatische Reduktion von Emissionen organisch-halogener Verbindungen wie zum Beispiel toxisches Dioxin, striktere Kontrollen der Industrie und bessere Gesetzesregelungen zum vorbeugenden Schutz der Ostseeverschmutzung durch Schifffahrt.

Ein weiteres gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit und die daraus resultierende Dynamik der Region ist die Plattform "Baltic 21", die ein Ergebnis der Lokalen Agenda 21 ist. Der Prozess wurde 1996 von den Regierungschefs der Ostseeregion initiiert und erstreckt sich auf alle Mitgliedstaaten des Ostseerates und wird unterstützt von der Europäischen Kommission, einer Anzahl intergouvernementaler Organisationen, internationalen Finanzinstitutionen und internationalen Nichtregierungsorganisationen. Das Baltic 21 hat unter anderem zum Ziel, zukünftigen Generationen eine sichere und gesunde Umwelt zu bieten und Land-, Wasser-, und Luftverschmutzung zu verhindern. Hintergrund dabei ist vor allem der Gedanke der Nachhaltigkeit und der Interdependenz, die es zweifelsohne zwischen den Ostseeanrainern gibt. Vielleicht ist deshalb auch gerade in dieser Region die Zusammenarbeit so energisch, da man sich der gemeinsamen Aufgabe bewusst ist.

Wie Sie sehen, auch im Bereich des Umweltschutzes bietet die Ostseeregion ein umfassendes Netz an Zusammenarbeit und Kooperation.

Beispiele für diese gelungene Zusammenarbeit könnte ich Ihnen noch viele Aufzählen. Mir war jedoch wichtig, Ihnen deutlich zu machen, dass die Ostseeregion, in all ihrer wirtschaftlicher und politischer Diversität es geschafft hat, die Zusammenhänge, die Abhängigkeiten und die gemeinsamen Chancen zu erkennen und entsprechend zu handeln.

Erwartungen für die Region

Aus Sicht des oben zitierten Berichts zur Lage der Region 2005 wird ein ambivalentes Fazit für das laufende Jahr gezogen. Die Ostseeregion sieht sich sowohl ökonomisch als auch politisch einigen Herausforderungen gegenüber. Manche davon habe ich erwähnt.

Wirtschaftlich muss die Region darauf achten, nicht in dem derzeit schwachen makroökonomischen Klima stecken zu bleiben.

Politisch gesehen muss darauf geachtet werden, dass nicht nationale Wahlen, wie sie in den letzten Monaten und auch in der kommenden Zeit dazu führen, dass der Fokus alleine nach Innen gerichtet wird. Wichtig sind eine kontinuierliche Förderung und Impulse, die auf das Vorankommen der Kooperation abzielen. Aufgaben stellen sich viele.

Aber, und das ist meine fest Überzeugung: wenn wir, und auch Sie, diese Aufgaben wahrnehmen, dann kann die bisherige Erfolgsgeschichte der letzten Jahre fortgesetzt werden.

Bevor ich meine Rede beende, möchte ich noch eine aktuelle Bemerkung machen zu einem Land, dass zwar nicht zur Ostseeregion gehört, aber das mir als Wahlbeobachter am vergangenen Woche am Herzen liegt – die Situation im Weißrussland. Die Europäische Union und die demokratische Staatengemeinschaft muss nach den unfairen und unfreien Wahlen dem letzten Diktator Europa eindeutig signalisieren, dass Repressionen gegenüber der Demokratiebewegung unweigerlich zu Sanktionen führen werden. Vor allem im Dialog mit Russland müssen wir alle Anstrengungen verstärken, der Freiheit und Demokratie zum Erfolg zu verhelfen.

Der Studiengang Baltic Management Studies bietet die besten Vorraussetzungen dafür, dass sich junge, hochqualifizierte Menschen mit ihrem Sachverstand an der Weiterentwicklung der Region beteiligen. Dafür gilt den Studentinnen und Studenten sowie den Lehrenden dieses Studiums mein Dank und meine Anerkennung. Ich gratuliere der Fachhochschule zur Kooperation mit der International School of Management Litauen. Dies demonstriert den wahren Geist an der Ostsee. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Wende dein Gesicht der Sonne zu, und du lässt die Schatten hinter dir.

Wir alle wissen ja, dass im Osten die Sonne aufgeht, deshalb bin ich zuversichtlich, dass es Ihnen hier im Ostseeraum gelingen wird, viel von der Sonne abzubekommen.